Immer, wenn wir in unserer Kirche Ende September (29), Anfang Oktober (02) der Engel gedenken, bin ich von neuem fasziniert von ihnen. Damit scheine ich nicht alleine zu sein, denn Engel stehen seit Jahren hoch im Kurs. In Scharen finden wir sie in Buch- und Dekoläden, auf Servietten und Geschenkpapier. Was ist ihr Erfolgsrezept, dass sie trotz – oder gerade – in unserer technisch dominierten Welt so beliebt sind?

Für viele Christen ist in den letzten Jahren Gott wie in die Ferne gerückt – und die Engel sind nahe gekommen. Gott ist ihnen fremd geworden – und der Engel und Schutzengel wird vertraut. Es wird immer mehr Leuten schwierig, «Gott» zu sagen, gemeinsam das Leben in Freud und Leid mit ihm zu feiern. Weit herum heisst die – meist unausgesprochene – Frage: «Gott, bist Du überhaupt da? Wer bist Du eigentlich für uns?

Und dann erlebt eine Frau im Alltag, dass sie in grossem Leid tragenden Trost findet. Und sie sagt: «Mein Engel ist mit mir!» Ein Mann findet wieder zurück in eine gute Beziehung zu seiner Frau und zu seinen Kindern. Und er sagt: «Mein Schutzengel hat mir den richtigen Weg gezeigt!» Einem Jugendlichen tut sich nach manchen inneren und äusseren Umwegen plötzlich eine Perspektive für die Zukunft auf. Und er sagt: «Mein Engel hat mich nicht im Stich gelassen.» Und das Mädchen liegt abends im Bett und betet: «Mein Schutzengel, Du hast heute zu mir geschaut. Danke.»

Heute fragen sich vielleicht manche, wie ich überlege: Was ist dran – am Gerede über die Engel? Hat womöglich Shakespeare recht, wenn er in seinem berühmten Hamlet sagt: „Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als eure Schulweisheit sich träumt?“

In der Bibel sind mit Engeln fast immer Boten Gottes gemeint. Etwa 300 Mal ist dort von solchen die Rede. Erstmals werden sie im Zusammenhang mit der Vertreibung von Adam und Eva aus dem Paradies erwähnt. Dann besonders bei der Christgeburt. Zum letzten Mal wird in der Offenbarung von einem Engel gesprochen. Dabei geht es um die Vollendung von Gottes Plan mit dem gesamten Universum. Und in der Zwischenzeit vollzieht sich nun das Wirken der Engel auf dieser Erde – bis heute.

Im Hebräerbrief (1, 14) werden sie als „dienstbare Geister“ bezeichnet. Was aber meint das? Als Dietrich Bonhoeffer, ein bedeutender evangelischer Theologe in Deutschland während des 2. Weltkrieges ins Gefängnis kam, hat er 1945 – kurz vor seiner Hinrichtung – aus festem Glauben gebetet: «Von guten Mächten wunderbar geborgen erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist mit uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.»

In diesen Zeilen liegt das Erfolgsrezept der Engel und damit ihr Siegeszug durch alle Jahrhunderte hinweg begründet: Sie stehen für ein positives Gottesbild, für eine transzendente Macht, die für uns und unser Leben kämpft; die uns mit dem Höheren verbindet und uns Heilung bringt. Und das alles ganz konkret und nicht theologisch oder moralisch abstrakt.

Die Engel überbrücken die Kluft zwischen Himmel und Erde, aber auch nicht nur in einer Richtung, nämlich von oben nach unten, sondern auch von unten nach oben! Nicht sie sind das Ziel. Sie sind hilfreich auf dem Weg zum Ziel. Dazu müssen wir uns nur vergegenwärtigen, was wir im 1. Hochgebet hören: “Dein heiliger Engel trage diese Opfergabe auf deinen himmlischen Altar vor deine göttliche Herrlichkeit!“ In jeder Heiligen Messe  sind wir von einer großen Schar von Engel umgeben und in sie eingehüllt. Machen wir uns das ganz bewusst.